Interview mit Christan Hagemeister, Geschäftsführer Hagemeister Klinkerwerk
Der klimaneutrale Ziegel muss erst noch gebacken werden? Schon passiert: Das in Nottuln ansässige Klinkerwerk Hagemeister hat die Herausforderung im Prinzip gelöst – mit grünem Wasserstoff.
„Wir beschäftigen uns schon lange mit dem Thema Nachhaltigkeit und wollen unseren CO2-Fußabdruck immer weiter verringern“, erklärt Christian Hagemeister, Geschäftsführer der Hagemeister GmbH & Co. KG, aus welchen Motiven das Unternehmen am Forschungsvorhaben „H2-Ziegel“ teilgenommen hat. Angefragt hatte 2021 das Institut für Ziegelforschung Essen IZF, das die Energiewende in der Branche vorantreiben will. Gefördert wird das Kooperationsprojekt vom Land NRW.
Kann Wasserstoff Erdgas als Energieträger für Prozesswärme in der Ziegelindustrie ersetzen?
m die Frage in einem vierwöchigen Testbetrieb zu klären, hat Hagemeister selbst rund 100.000 Euro zum Versuchsaufbau beigesteuert und einiges in Bewegung gebracht. So hat das Klinkerwerk bei der Westfalen AG Wasserstoff bestellt, der per Lkw nach Nottuln geliefert wurde. Trailer plus Tank wurden auf dem Werksgelände platziert und an die neue Test-Regelstrecke angedockt. Das Unternehmen hatte nämlich eigens eine Leitung gelegt, in der die satten 200 Bar Betriebsdruck im Container auf 450 Millibar gemindert werden, damit die Prozesse rund und sicher laufen – mit einem Brennersystem, das von der Küppers Solutions GmbH in Dortmund für das Projekt entwickelt worden ist. Ein sorgsames Handling ist grundsätzlich ein Thema, wenn H2 ins Spiel komm, sagt Hagemeister. Zwar seien die offiziellen Vorschriften für den Umgang mit Erdgas und Wasserstoff zurzeit noch weitgehend gleich. Doch das Klinkerwerk habe über die Verordnungen hinaus das Testumfeld gesichert, zum Beispiel mit Trailer-Boxen aus Betonblöcken sowie mit einer Blitzschutzanlage für die temporäre Regelstrecke. Bei den Mitarbeiterschulungen schließlich – das Unternehmen hatte den TÜV engagiert – ging es um die Sorgfaltspflichten im Umgang mit Wasserstoff, der im Vergleich zum gewohnten Erdgas leicht variierende Eigenschaften aufweist. Hagemeister hatte in der Umgebung der Anlage Mess-Stationen installieren lassen, um den Testbetrieb umfänglich abzusichern. „Als Pionier muss man ohnehin etwas mehr Aufmerksamkeit walten lassen, weil ja noch Erfahrungswerte fehlen“, sagt der Geschäftsführer.
Ohne Pipeline erstmal Pause
Nicht zu messen, aber zu spüren war am ersten Projekttag die Spannung im Hagemeister-Team: Würde der Einsatz von Wasserstoff wesentliche Veränderungen im Energiehaushalt des Gesamtsystems – Trockner und Ofen – nach sich ziehen? Würde der Brennprozess und mit ihm die Klinkerfarbe vom gesetzten Standard abweichen? „Wir wollen natürlich auch in der Energiewende mit den gewohnten Farb-Designs und unseren hohen Gütestandards weitermachen“, sagt Hagemeister, um dann die sehr positiven Versuchsergebnisse zusammenzufassen: „Sowohl die technische als auch die optische Qualität der mit H2-gebrannten Klinker war hervorragend, und die teils neuen Ablaufprozesse fassten einwandfrei ineinander“, sagt der Geschäftsführer und fügt an: „Also kann grüner Wasserstoff in unserem Betrieb das Erdgas grundsätzlich 1:1 ersetzen.“ Schnell könnte das Klinkerwerk in seiner Infrastruktur die Weichen auf Wasserstoff umstellen, denn es müssten nur Teile der Anlagen angepasst werden.
Der Grund, warum der Unternehmer, trotz der tadellosen Ergebnisse, die Teststrecke für die H2-Technik wieder abbauen ließ, liegt außerhalb des Firmengeländes. „Grüner Wasserstoff ist noch viel zu knapp und viel zu teuer“, erklärt er. Zudem wäre H2 auf Rädern, beim Betrieb aller vier Öfen, aufgrund der dann erforderlichen hohen LKW-Frequenz, für das Klinkerwerk auf Dauer keine Lösung. Von externen Experten hat das Unternehmen durchrechnen lassen, ob die Produktion von grünem Wasserstoff in einem hauseigenen Elektrolyseur betriebswirtschaftlich sinnvoll wäre. „Das kommt leider nicht in Frage, unser Komplett-Bedarf ist zu groß, um lokal die Komponenten wie destilliertes Wasser und grünen Strom in den benötigten Großmengen zu beziehen oder zu erzeugen“, verrät Hagemeister das Ergebnis. Auch die Idee, Biogas einzusetzen, haben die Experten verworfen, weil nicht genug verfügbar ist.
„Es gibt für uns keine Alternative zum Energieträger H2 und zur Versorgung per Anbindung an eine Wasserstoffpipeline“, ist Hagemeister sicher. Doch das könne leider dauern. „Die Fernleitung soll ja erst 2029 fertig werden, und der Verteilnetzbetreiber muss dann noch drei Kilometer zum Übergabepunkt vor Ort legen“, erklärt der Unternehmer, warum wahrscheinlich erst 2030 Wasserstoff in die Brenner strömt. Noch kann er die exakten Investitionen nicht kalkulieren, die mit einer Wende, hin zum grünen Wasserstoff, verbunden wären. Unklar sei beispielsweise, auf welche Schultern sich die Kosten für die Stichleitung vom Fernnetz verteilen. Hagemeister führt in dieser Sache Gespräche mit der Gemeinde Nottuln, der IHK Nord Westfalen und mit weiteren Unternehmen, die an einer Versorgung interessiert sind.
Dann bleibt noch die Frage nach den Bezugskonditionen. „Wenn ich momentan den zehnfachen Preis von Erdgas habe, ist das nicht wirtschaftlich“, betont Hagemeister und zieht sein Fazit: Ohne Förderprogramme werde die Energiewende in der energieintensiven mittelständischen Industrie nicht funktionieren. Der Geschäftsführer sieht die Politik in der Pflicht, die Rahmenbedingungen zügig zu verbessern. Grüner Wasserstoff müsse erschwinglich und beschaffbar werden. Versorgungssicherheit müsse flächendeckend und nicht nur an Standorten von Großkonzernen gegeben sein. Zudem sollten Klarheit und Planungssicherheit geschaffen werden – mit Regularien, die speziell für H2 und dessen Anwendungen gelten. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird er wohl in Serie gehen: der klimaneutrale Klinker aus dem Hause Hagemeister.
Text: Dominik Dopheide (Dezember 2023 publiziert im IHK Wirtschaftsspiegel, Titelthema Wasserstoff)
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